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Allesdichtmachen: Schauspieler kritisieren Corona-Politik – Berlins Kultursenator reagiert - WELT

„Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz“, fordert Schauspieler Ulrich Tukur die Bundesregierung auf. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“ Und er fügt hinzu: „Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.“

Zahlreiche prominente Film- und Fernsehschauspieler sorgen mit einer groß angelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen. Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Richie Müller, Heike Makatsch, Jan Josef Liefers und viele weitere verbreiteten am Donnerstag bei Instagram und auf der Videoplattform YouTube gleichzeitig ironisch-satirische Clips mit persönlichen Statements zur Corona-Politik der Bundesregierung. Wie die Aktion koordiniert wurde, war zunächst nicht bekannt. Auf der Webseite der Aktion ist der Filmproduzent Bernd K. Wunder als Geschäftsführer angegeben. Dem „Spiegel“ sagte Wunder zu dem Projekt nur: „Das ist Kunst.“

Die Hashtags #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer wurden am Abend binnen kurzer Zeit zu den am meisten verwendeten bei Twitter in Deutschland.

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Liefers bedankt sich in seinem Clip mit ironischem Unterton „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben“.

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Die Schauspielerin Nina Gummich verkündete in ihrem Video ironisch: „Ich mache mich stark für die Meinungsfreiheit. Besonders während so turbulenten Zeiten wie der Coronakrise. Deshalb habe ich mich in den letzten Monaten Stück für Stück von meiner eigenen Meinung befreit.“ Eine eigene Meinung sei in diesen Zeiten „krass unsolidarisch“.

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Berlins Kultursenator Klaus Lederer positionierte sich gegen die Internetaktion. „Ich kann gut nachvollziehen, dass es nach 13 Monaten Pandemie schwer fällt, Kraft und Zuversicht zu behalten“, sagte der Linke-Politiker der dpa in Berlin.

Er teile manche Kritik „an der Pauschalität der sogenannten Notbremse, die uns Wege verschließt, zu lernen, wie unter Pandemiebedingungen kulturelles Leben ermöglicht werden kann.“ Gleichzeitig sagte er: „Wenig Verständnis habe ich für Ignoranz gegenüber den massiven Gefahren und den Folgen, die Covid für unsere Gesellschaft bedeutet. Zynismus und Hohn sind unangebracht“, so Lederer, der aktuell auch der Kulturministerkonferenz der Länder vorsitzt.

In den sozialen Medien stieß die Aktion auf begeisterte Zustimmung bis vehemente Ablehnung. „Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben“, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist. Schauspieler Marcus Mittermeier kommentierte: „Niemand hat mich gefragt, ob ich bei #allesdichtmachen mitmachen will. Gott sei Dank!“ Medienjournalist Stefan Niggemeier vom Onlinemagazin „uebermedien.de“ schrieb von „ekliger Ironie“ und einem „Dammbruch“, der zugleich der „größte Erfolg der Querdenkerszene bisher“ sei.

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Auch „Tatort“-Darstellerin Nora Tschirner kritisierte die Aktion heftig. Bei Instagram schrieb sie; „Echt ja, Leude? Was‘ los da? „Make cynicism great again“? Oder wie? Wird’s schon boring im Loft und im Brandenburger Landhaus? Jetzt doch mal raus wagen und n büschn kokeln, weil man sich sonst um die eigene Gefühlsverwaltung kümmern müsste? Joah, kann man machen. Kann halt sein, dass man sich ein büschn schämen wird in nen paar Jahren (Wochen). Unfuckingfassbar.“

Heike Makatsch, eine der Teilnehmerinnen, distanzierte sich am Freitagmorgen. Bei Instagram schrieb sie: „Ich distanziere mich klar und eindeutig von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien. Schon immer.“ Sie wolle „niemals das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen schmälern und sie womöglich dadurch verletzen. Soll das geschehen sein, so bitte ich um Verzeihung.“ Ihr Video zog Makatsch zurück.

Liefers dagegen rechtfertigte sich bei Twitter für seine Teilnahme an der Aktion. Der Schauspieler stellte klar, er setze sich kritisch mit den Entscheidungen der Regierung auseinander. Sein Video solle ein „ironischer Kommentar über die Prioritäten von Medien“ sein. „Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück. Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD.“

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Beifall gab es vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der die Aktion auf Twitter „großartig“ nannte. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem „Meisterwerk“, das „uns sehr nachdenklich machen“ sollte. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: „Das ist intelligenter Protest.“ Sie feiere Jan Josef Liefers.

Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Laut dem Verband leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspieler und Schauspielerinnen von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 15.000 bis 20.000 Schauspieler.

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