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Wichtigste deutsche TV-Ehrung: Kurt Krömer bekommt Grimme-Preis für Talk über Depressionen - DER SPIEGEL

Kurt Krömer in seiner Sendung: »Gespräch auf Augenhöhe«

Kurt Krömer in seiner Sendung: »Gespräch auf Augenhöhe«

Foto: rbb

Wo hört die Unterhaltung auf, wo beginnt die Information? Bei der Show »Chez Krömer« (RBB) , die jetzt mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wird, ist die Grenze fließend: Moderator Kurt Krömer unterhielt sich mit Comedian Torsten Sträter über Depressionen – beide leiden selbst darunter – und zeigte so ganz neue Facetten zu dem oft tabuisierten Thema. Das fand die Grimme-Jury der Sektion Unterhaltung so überzeugend, dass sie Krömer und Sträter eine der prestigeträchtigen Trophäen zuspricht.

Die Begründung der Jury: »Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe, ein fesselnder Dialog über ein gemeinsames Anliegen. Diese Konstellation ist so spannend, berührend und erhellend, weil hier ein herausragender Fernsehmoment geschaffen wird, in dem wir einem Prozess beiwohnen dürfen: einem Coming-out zu depressiven Störungen.«

Rotzig und risikofreudig

Insgesamt haben die unterschiedlichen Jurys 16 Preise vergeben, wie das Grimme-Institut am Dienstag mitteilte. Es ist der 58. Jahrgang der renommierten Fernsehehrung, ausgezeichnet wurden Produktionen, die im letzten Jahr gesendet oder gestreamt worden sind.

Im Bereich Unterhaltung wurden neben der Krömer-Sendung auch »Wer stiehlt mir die Show?« (ProSieben) mit Joko Winterscheidt und »Freitagnacht Jews« mit Daniel Donskoy (WDR)  ausgezeichnet. Der Schauspieler Donskoy spricht mit seinen Gästen auf leichtfüßige, rotzige, oft risikofreudige Weise über junges jüdisches Leben in Deutschland, seine Late-Night-Show hatte sich auf einem eher schwierigen Programmplatz zu einem Überraschungserfolg gemausert.

Daniel Donskoy in »Freitagnacht Jews«: Rotzig und risikobereit

Daniel Donskoy in »Freitagnacht Jews«: Rotzig und risikobereit

Foto: Christian Pries / WDR

Im Bereich Information & Kultur dominieren die harten, zeitaktuellen Stoffe: Ausgezeichnet werden »Charité intensiv: Station 43« (RBB), eine vierteilige Nahaufnahme aus Intensivstation im Coronawinter 2020/2021, und »Hanau – Eine Nacht und ihre Folgen« (HR). Der 45-Minüter verschränkt das genaue Protokoll des rassistischen Anschlags mit den psychologischen Verarbeitungsprozessen der Hinterbliebenen.

Den Grimme-Preis für die »Besondere journalistische Leistung« erhält in diesem Jahr Katrin Eigendorf (ZDF) für ihre »exzellenten Reportagen über die Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan«, so die Jury.

Struktureller Rassismus im Spitzensport

Ebenfalls geehrt wird die Dokumentation »Schwarze Adler«, in der schwarze Spieler und Spielerinnen der deutschen Fußballnationalmannschaft ihre persönlichen Geschichten erzählen und so den strukturellen Rassismus im Spitzensport offenlegen. Der Hundertminüter ist eine Koproduktion von ZDF und Amazon Prime Video.

Die großen Streamingdienste und Pay-TV-Anbieter sind auch in diesem Jahr wieder vertreten – wenn auch nicht in so starkem Maße wie in den Vorjahren. In der Kategorie Fiktion geht immerhin eine Trophäe an die Sky-Produktion »Die Ibiza-Affäre«  mit Nicholas Ofczarek, eine vierteilige Serie, in der die Entstehungsgeschichte um das heimlich gefilmte Video erzählt wird, das den damaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Fall brachte.

Bäckereifachverkäuferin auf Tour

Fast alle ausgezeichneten Produktionen im fiktionalen Bereich sind von einer starken politischen Haltung geprägt. Vor allem das Thema soziale Spaltung und Klassenkampf spielte bei Serien und Neunzigminütern eine zentrale Rolle. Ausgezeichnet werden der Neunzigminüter »Geliefert« (BR/Arte) über einen von Bjarne Mädel verkörperten Paketboten und die Serie »Tina Mobil« (RBB), in der Gabriela Maria Schmeide eine Bäckereifachverkäuferin spielt, die sich mit einem mobilen Verkaufsstand selbstständig macht.

Gabriela Maria Schmeide in »Tina Mobil«: Klassismus als Fiktionsthema

Gabriela Maria Schmeide in »Tina Mobil«: Klassismus als Fiktionsthema

Foto: Stefan Erhard / rbb

Außerdem bekommt die Rostocker »Polizeiruf«-Folge »Sabine« mit Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau und Luise Heyer einen Preis. Der Krimi ist wohl der radikalste fiktionale Entwurf zu den sich ankündigenden sozialen Spannungen. Er beschreibt dezidiert, wie eine alleinerziehende Mutter und Aufstockerin in ihrer auswegslos erscheinenden Lage einen Rachefeldzug gegen jene unternimmt, von denen sie sich herabgesetzt und gedemütigt fühlt. Die Jury zur Begründung des Preises: »Mit seiner trockenen Analyse und seiner unverstellten Parteinahme passt dieser alle Gepflogenheiten und Grenzen des Fernsehkrimis sprengende Film in das Coronajahr 2021.«

Die Preisübergabe an die insgesamt 53 Preisträgerinnen findet am 26. August 2022 im Marler Theater statt. Erneut wird Moderator Jo Schück durch die Gala führen.

Offenlegung: SPIEGEL-Mitarbeiterin Anja Rützel ist Teil der Grimme-Nominierungskommission Unterhaltung, SPIEGEL-Redakteur Christian Buß ist Teil der Jury Fiktion.

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