Für die Würzburger Schulen lief mit dem Schulstart nicht alles reibungslos. Auf die kosten-losen Lernplattform "mebis", die vom Kultusministerium angeboten wird, durften Schulen und Jahrgänge nur gestaffelt zugreifen. Die Plattform "Schulmanager" war am ersten Tag nach den Ferien so überlastet, dass einige Schüler überhaupt nicht darauf zugreifen konnten.
Die ehemalige Würzburger SPD-Stadträtin Lore Koerber-Becker machte auf der sozialen Plattform Facebook am Montag ihrem Unmut Luft: "Das ist doch ein verdammter Murks mit diesem Homeschooling!(...) Die Schulen, die jahrelang ihre Lehrkräfte für mebis in verpflichtende Fortbildungen geschickt und für die Plattform fit gemacht haben, suchen sich Alternativen. Und jetzt sind die Alternativen überlastet. Kann man nicht in einem dreiviertel Jahr dafür sorgen, dass Online-Tools auch funktionieren? Es kam ja nicht so ganz überraschend, dass jetzt ganz Schul-Bayern wieder zu Hause sitzt."
Kinder im digitalen Unterricht bei der Stange halten
Auch bei den Kindern erzeuge das Frust, dabei sei es doch so wichtig, sie bei der Stange zu halten, so Koerber-Becker im Telefongespräch mit dieser Redaktion. Zum Glück sei nun technisch nachgebessert worden, und anfängliche Schwierigkeiten hätten sich verbessert. Den Schulen und Lehrern möchte sie keinen Vorwurf machen, "es ist eine schwierige Situation und viele Lehrer meistern das gut". Zwei ihrer drei Kinder gehen aufs Deutschhaus-Gymnasium und "da gibt es eine gute Mischung aus Videokonferenz und Aufgaben, die dann alleine erledigt werden", schildert sie. Positiv bewertet sie auch Online-Konferenzen der Lehrer in Kleingruppen. "Schulleiter und Lehrer geben sich Mühe, umso ärgerlicher ist es, dass es dann an guten Internetverbindungen und der Technik hakt. Es gibt keine gute Krisenbearbeitung seitens des Ministeriums ", kritisiert sie.
An den Schulen lag es nicht, vielmehr am bayernweiten "virtuellen Startschuss" zu dem das Kultusministerium aufgerufen hatte. So sieht es auch Schulleiter Michael Schmitt vom Deutschhaus-Gymnasium: "Wir hatten bis Dienstag technische Probleme mit dem 'Schulmanager'. Das war aber bayernweit der Fall und lag am Anbieter. Seit Mittwoch läuft es wieder geräuschlos." Ohne das Landratsamt wäre das nicht möglich gewesen, so der Schulleiter, "während der Weihnachtsferien hat das Landratsamt die Kapazitäten für Videokonferenzen auf der Plattform deutlich erhöht".
Das Röntgen-Gymnasium und die Jakob-Stoll-Realschule nutzen indes die Microsoft-Plattform MS Teams, Schwierigkeiten mit der Technik hatten sie kaum, ergab eine Nachfrage der Redaktion. Viele Schulen hatten sich schon zu Beginn des Schuljahres solche Lernplattformen angeschafft, zusätzlich zum Angebot des Freistaates.
Digitaler Ausbau: "Es wurde Zeit verschlafen."
Auch Stadtrat Sebastian Roth (Die Linke), selbst Lehrer und Vater von Kindern im Homeschooling, hatte sich auf Facebook verärgert über den Schulstart geäußert. Am dritten Tag ein Lichtblick: "Jetzt habe ich zwei Tage gemotzt, anscheinend klappt es heute mit dem 'Schulmanager' besser. Dann lasst den 'Digitalen Alltag' mal beginnen", schrieb er. Generell, so seine Meinung, hinke man beim Digital-Ausbau an Schulen schwer hinterher: "Es läuft einfach nicht strukturiert ab, da wurde Zeit verschlafen."
Indes könnten Kinder, die etwas lernen wollen, so seine Einschätzung, sogar vom Online-Schooling profitieren, achten müsse man vermehrt auf Schüler, die einen "Anschub" bräuchten. Diese dürften auf dem Weg nicht verloren gehen. Was Ministerpräsident Markus Söders Absage der Faschingsferien angeht, geht er nicht konform: "Wir Lehrer haben vor Weihnachten keine verfrühten Ferien gehabt, sondern die Tage mit Konferenzen verbracht." Eigentlich bräuchte man die Faschingsferien zur Regeneration. "Im digitalen Unterricht gibt es für die meisten Lehrer mindestens genauso viel zu tun wie im Präsenzunterricht, "zwar nicht am Stück, aber dafür häppchenweise über den Tag verteilt", so Roth.
Denn, so bringt es Schulleiter Schmitt auf den Punkt: Auf den Lernplattformen werde nicht nur der Unterricht per Video übertragen, sondern der gesamte Schulalltag organisiert. Virtuelle Klassenzimmer anzeigen, Aufgabenblätter und Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen, Hausaufgaben korrigieren, Elternbriefe verschicken, Krankmeldungen einreichen - all das findet nun digital statt, erläutert er. Die Umstellung auf den Distanzunterricht stelle Lehrer und Schüler vor neue Herausforderungen, aber das Homeschooling könne den Präsenzunterricht nicht eins zu eins abbilden. Das Konzept muss ein anderes sein: "Sechs Stunden Videokonferenz würden die Kinder überfordern und sind nicht zielführend", so Schmitt.
"Sechs Stunden Videokonferenz würden die Kinder überfordern und sind nicht zielführend."
Schulleiter Michael Schmitt vom Deutschhaus-Gymnasium in WürzburgWeil sie sich ein Bild über die technischen Probleme an Würzburgs Schulen, die Sorgen und Nöte der Eltern machen wollte, hatte Schulreferentin und dritte Bürgermeisterin Judith Jörg Anfang der Woche einen Aufruf auf Facebook gestartet, um zu erfahren wie der Distanzunterricht läuft. "Ich habe wahnsinnig viele Rückmeldungen bekommen", schildert sie. Sehr durchwachsen sei die Lage demnach, viele Schulen hätten sich gut vorbereitet, aber gerade anfangs sei es zu allerlei technischen Problemen gekommen. Viel hänge auch vom Willen der Lehrer ab, ob das Konzept Digitalunterricht funktioniere. "Mir wurde zum Beispiel berichtet, dass ein Lehrer nicht am frühen Vormittag unterrichten wollte, weil er sonst nicht ausschlafen könne. Das geht in meinen Augen gar nicht", so Jörg.
Auf der anderen Seite gebe es viele Lehrer, die kreative Ideen umsetzten. Derzeit verfasse sie einen Brief an Kultusminister Michael Piazolo, in dem sie auf Probleme hinweise und ihre Sicht der Dinge darstelle. "Es geht vor allem darum, Prioritäten zu setzen. Was bringt es derzeit Lüftungsgeräte für die Schulen anzuschaffen, wenn die nächsten Wochen gar kein Präsenzunterricht stattfindet?" Da sollte sich zunächst eher um pädagogisches Personal gekümmert werden, "damit die Kinder, die Probleme mit dem Online-Unterricht haben, gefördert werden können". Auch die Faschingsferien hätte man dazu nutzen können, um sich vermehrt um benachteiligte Schüler zu kümmern, findet sie. Es dürfe nicht sein, dass Kinder beispielsweise durch ein nicht funktionierendes WLAN oder durch eine schlechte Ausstattung zuhause abgehängt würden. Da müssten Lösungen her.
Soziales Miteinander in Gefahr?
Doch nicht nur das. Schulleiter Schmitt sieht auch das soziale Miteinander in Gefahr: "Im Homeschooling reduziert sich der Austausch oftmals nur auf den Lernstoff, "doch Schule ist viel mehr als das". Es müssten Zeitblöcke gefunden werden, in denen die Schüler selbständig arbeiten und solche, in denen sie sich mit dem Lehrer und der Klasse austauschen und Feedback bekommen.
"Das könnte besser laufen, wenn wir beizeiten auch die Didaktik modernisiert hätten, um Distanzunterricht gewinnbringend halten zu können. Aber das hat man bislang kaum für notwendig gehalten", so Jürgen Kempf von der Arbeitsgemeinschaft Würzburg der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern gegenüber der Redaktion. Das sieht Kerstin Schubert, Vorsitzende des Elternbeirats der Mittelschule Würzburg-Heuchelhof, ähnlich: "Der Austausch mit Mitschülern und den Lehrern fehlt." Was oft vergessen wird: "Der digitale Alltag im Homeschooling ist auch für die Schüler neu." Gerade die Jüngeren müssten erst einmal lernen, wie Distanzunterricht funktioniert, so Schubert.
Die Jakob-Stoll-Realschule hat ihren Schülern deswegen einen Leitfaden zum Distanzunterricht an die Hand gegeben und auch eine Umfrage unter den Eltern gestartet. Die Rückmeldungen seien "sehr positiv", sagt Schulleiter Alexander Röhrer. "Auf einer Skala von eins bis zehn haben die Eltern die Zufriedenheit mit einer Acht bewertet. Für eine solche Ausnahmesituation ist das erstaunlich gut."
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