Das Fußballspiel Deutschland gegen Island hat dem deutschen Fernsehen mal eine Sternstunde beschert. Der damalige Bundestrainer Rudi Völler hatte nach der Kritik des TV-Experten Günter Netzer an einem mauen 0:0 in der ARD zu seiner berühmten Scheißdreck-Mist-Käse-Suada ausgeholt und ganz nebenbei seinem damaligen Gesprächspartner, dem ARD-Mann Waldemar Hartmann, zu lukrativen Werbeverträgen in der Weißbierbranche verholfen. Die Weißbierrede Völlers ist Fernsehgeschichte geworden.
Vielleicht haben sich bei RTL einige daran erinnert, als sie Uli Hoeneß als TV-Fachmann für die WM-Qualifikation gewonnen haben. Schließlich ging es am Donnerstagabend bei Hoeneß' erstem Auftritt im Fernsehstudio wieder gegen Island, und dass der Grande des FC Bayern München zu einer ähnlich drastischen Wortwahl wie Völler in der Lage ist, hat er in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig bewiesen.
Fernsehgeschichte wurde dieser Donnerstagabend bei RTL zwar nicht, aber immerhin lief Hoeneß dann doch noch zur Spätform auf. Es dauerte allerdings drei Stunden Fußballübertragung und bis 23.15 Uhr, bis Hoeneß Betriebstemperatur aufnahm und mit Angriffen auf den Deutschen Fußball-Bund die vom Sender gewünschten Schlagzeilen produzierte.
Am Rande der Produktenttäuschung
Bis dahin musste sich der 69-Jährige an der Seite von Moderator Florian König erst durch die Spielberichterstattung zum 3:0-Erfolg des DFB-Teams arbeiten, er tat dies mit vielen »großartig«, »hat mich total überzeugt«, »toller Start, Jogi«, »überragende Partie vom Jo Kimmich«. Statt der berühmten Abteilung Attacke war das die Abteilung Stichwortgeber, und wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätte man geglaubt, man wäre in die Plattitüden-Analysen von ARD-Experte Bastian Schweinsteiger geraten. RTL am Rande der Produktenttäuschung.
Man hatte zwischenzeitlich schon das merkwürdige Gefühl, dieser alte Medienfuchs Hoeneß fühle sich in der Rolle des TV-Experten am Stehtisch maximal unwohl, verloren zwischen all den Werbeblöcken des Senders, zwischen Rasierapparat, Rasenmäherroboter, Sportwetten und dem »Gewinnen Sie bei RTL den Super-Bonus«. Als habe der alte Mann des FC Bayern im Ruhestand seinen Biss verloren: »Jogi, ich wünsche dir ein tolles Abschiedsvierteljahr.« Es regte sich beim Zuschauen erstes Mitgefühl.
Mit seinen Fußball-Live-Experten hat RTL bisher noch nicht übermäßig Glück gehabt. Mit Jürgen Klinsmann und Jens Lehmann hatte man zwar prominente Namen aufgeboten, Klinsmann jedoch lächelte in bekannter Manier alles weg, und Lehmann blieb auch beim verbalen Kurzpass. Mit Hoeneß dagegen hat man jetzt einen geholt, dessen Ruf allein schon den einen oder die andere vor den Fernseher lockt. Die Lust am Krawall hat Hoeneß schließlich immer gehabt, sie ist beinahe legendär, eigentlich beste Voraussetzung für Gesprächsstoff am Tag danach.
Ein »Trauerspiel« beim DFB
Aber erst als das Spiel längst vorbei und der Bundestrainer wahrscheinlich schon wieder in die Quarantäneblase eingetaucht war, lenkte König den 69-Jährigen dann doch noch auf ein Reizthema, und man hatte das Gefühl, Hoeneß war eigentlich nur deswegen gekommen, um zu später Stunde Luft über den DFB abzulassen. Und das tat er mit einem einleitenden »Da habe ich auch eine klare Meinung zu« dann auch.
Das sei »ein Trauerspiel«, was der Verband biete, hob Hoeneß auf die Streitereien zwischen Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius ab, die »streiten sich wie die Besenbinder«, legte er los. Der Generalsekretär sei ohnehin »völlig überfordert«, und der Schatzmeister des DFB, Stephan Osnabrügge, »ein Arbeitsrechtler«, was aus Perspektive von Hoeneß offenbar ein Malus ist. Zudem sei es so, dass beim DFB »die Steuerfahndung so ein- und ausgeht wie der Briefträger«. Wobei man eine gewisse Zurückhaltung, anderen beim Thema Steuerfahndung Vorwürfe zu machen, bei Hoeneß womöglich hätte erwarten können.
In jedem Fall müsste es personelle Konsequenzen geben, und Hoeneß, behutsam gesteuert von König, wusste auch schon, welche: Wenn es um die Repräsentanz des DFB bei den großen Verbänden Uefa und Fifa gehe, dann könne dies künftig nur einer tun: Hoeneß langjähriger Kompagnon beim FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge. Weil: »Dann hätte der FC Bayern, äh, der deutsche Fußball den besten Vertreter, den er haben kann.« Das nennt man wohl einen Freud'schen Versprecher.
Da hatten König, der künftige Moderator des Fußballstammtisches »Doppelpass« beim Sender Sport1, und RTL doch noch ihre Nachricht. »Ich bin gespannt, welches Echo in der Öffentlichkeit das auslöst«, sagte König zufrieden, nachdem er Hoeneß zuvor in der Trainerfrage um die Nachfolge von Joachim Löw noch nichts Zitierreifes entlocken konnte.
Ob Bayern-Trainer Hans-Dieter Flick ins Amt des Bundestrainers wechseln solle oder könne, dazu ließ sich Hoeneß nicht aus der Reserve locken. Das sei derzeit kein Thema, Rummenigge habe alles Wichtige dazu gesagt, Lothar Matthäus, auch einer der öfter mal genannten Kandidaten, sei »sicher ein fantastischer Fußballfachmann«, und der DFB werde »schon irgendwo auf der Welt einen passenden Trainer finden«. Ab zur Werbung. Der Super-Bonus wartet.
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