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Deutsch-britische Freundschaft: Jürgen Klopp – besser als Johnson oder Merkel - WELT

Es war ein Heimspiel für Jürgen Klopp – doch die Frage ist: Gibt es für ihn überhaupt noch Auswärtsspiele? Der Trainer des FC Liverpool wirkt auf eine gewisse Weise längst überlebensgroß. Er zieht die Menschen an, das ist kein neues Phänonem. Doch mittlerweile hat seine Popularität Ausnahme angenommen, die fast schon ihresgleichen suchen.

Am Freitagabend war Klopp wieder einmal zu Gast in Dortmund – sechseinhalb Jahre nach seinem Abschied vom BVB. In dem Stadion, in dem der mittlerweile 54-Jährige den Aufstieg zum internationalen Spitzentrainer geschafft hatte, in dem er aus einer mittelmäßigen Mannschaft ein Topteam formte, dass zwei Deutsche Meisterschaften und den DFB-Pokal gewann.

Er musste dort viele Autogramme schreiben, für Fotos posieren und für Videobotschaften. Das Ungewöhnliche war nur: Es waren keine Fußballfans, sondern 300 geladene Gala-Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die diesmal Tuchfühlung zu ihm aufnehmen wollten. Darunter auch Showgrößen wie Campino von den „Toten Hosen“. Auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte sich angesagt, musste aber aus Termingründen absagen.

Klopp mit dem „German-British Freundship Award“ ausgezeichnet

Klopp erfuhr eine Ehrung, die ebenfalls nicht alltäglich für einen Fußballtrainer ist. Er wurde mit dem „German-British Freundship Award“ ausgezeichnet. Der von der britischen Handelskammer und der britischen Botschaft ins Leben gerufene Preis ist für Menschen gedacht, die sich um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern besonders verdient gemacht haben – insofern gibt es tatsächlich kaum einen würdigeren Preisträger als Klopp, der in England mittlerweile genauso populär wie in Deutschland.

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Mit Liverpool hatte er 2019 die Champions League gewonnen und den Traditionsverein 2020 dann zur ersten Meisterschaft nach 30 Jahren geführt. Doch es sind nicht nur Erfolge, die Klopps Rufs begründen. „Er hat eine Gabe, die sich nicht erlernen lässt. Wenn Jürgen einen Raum betritt, wird es automatisch heller. Er schafft es, einen ganzen Verein zum Strahlen zu bringen“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, einer der Laudatoren.

Am Freitag stellte Klopp dann unter Beweis, dass einen Saal zum Lachen bringen kann. „Bei all den Sachen, die die Laudatoren über mich gesagt haben, hab ich gedacht: Ja gut, aus Mangel an Alternativen – bin ich vielleicht wirklich der Richtige“, erklärte er: „Aber ich bin echt happy darüber.“

Klopp tut beiden Ländern gut

Tatsächlich ist es wohl so, wie es Watzke beschrieb. „Was Jürgen für die deutsch-englische Freundschaft getan hat, ist wahrscheinlich mehr, als jeder Diplomat jemals leisten kann“, erklärte der. Klopp schaffe es, in England Verständnis für die Deutschen zu wecken – und umgekehrt. „Ich kann mir keinen besseren Preisträger vorstellen als Jürgen Klopp – jemanden, der uns Freude und Leidenschaft bringt und die Gewissheit, dass alles möglich ist und sich harte Arbeit lohnt“, sagte die britische Botschafterin Jill Gallard.

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Klopp tut beiden Ländern gut – gerade in Zeiten, in denen die bilateralen Beziehungen vielen Belastungen ausgestzt sind. Da ist vor allem der Brexit mit seinen politischen, wirtschaftlichen und atmosphärischen Folgen. Die meisten Deutschen haben es bis heute nicht verarbeitet, warum sich eine Mehrheit der Briten von der EU abgewendet hat. Klopp wirkt da zumindest wie eine Art emotionaler Kitt zwischen den Menschen in den beiden Ländern.

Das stellte besonders Campino heraus. „Jürgen hat in seiner Zeit in England schon viele Dinge gesagt, von denen ich mir wünschen würde, dass sie Boris Johnson gesagt hätte. Es gibt aber auch eine Menge Zitate von ihm, die auch Angela Merkel nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätten“, sagte der Punksänger. Campino, Sohn einer englischen Mutter und eines deutschen Vaters, ist ein leidenschaftlicher Wandler zwischen den beiden Welten, die in den vergangenen Jahren deutlich auseinandergedriftet sind.

Nach Brexit-Referendum vieles komplizierter geworden

Nach dem Brexit-Referendum von 2016 ist trotz aller, und teilweise erfolgreicher, Bemühungen um neue Verträge vieles komplizierter geworden – vor allem für Deutsche, die im Vereinigten Königreich leben und Briten, die in der EU leben. Daran kann natürlich auch Klopp nichts ändern. Doch er wird nicht müde, um Verständnis zu werben. Er tut dies auf eine Art, die fast schon naiv wirkt – und vielleicht gerade deshalb erstaunlich wirkungsvoll ist.

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„Ich bin 18 mit meiner Cousine per Interrail nach England gefahren. Das Wetter war schlecht, damals schon. Trotzdem haben wir uns in das Land verliebt“, sagte er und erzählte von seinen „Bed and Breakfest“-Erfahrungen. „Für fünf Pfund bieten dir die Menschen ein Bett und Frühstück an. Ich stamme aus dem Schwarzwald. Für uns wäre es das letzte gewesen, einen wildfremden Menschen für Pfund bei uns schlafen zu lassen“, so Klopp. Damals hätte er sich vorgenommen, „irgendwann einmal in diesem Land zu leben.“ Er nehme den Preis stellvertretend für alle Deutschen entgegen, die immer noch in England leben – trotz Brexit. Obwohl auch er davon damals geschockt war.

„Ich dachte damals, es sei nicht möglich, dass so etwas passiert. Aber es ist passiert. Jetzt ist es halt so. Wir müssen damit umgehen“, erklärte Klopp. Nun gehe es darum, deutlich zu machen, „dass trotzdem auf beiden Seiten des Wassers einfach tolle Leute leben.“ Dann brandete lauter Beifall auf. Klopps Rede wird an den politischen Realitäten nichts ändern – aber sie tat allen gut, die darauf hoffen, dass es auch nach dem Brexit wieder eine zu einer Annäherung zwischen Deutschen und Briten kommen wird.

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