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Bayreuther Festspiele: Katharina, die Letzte – DIE ACHSE DES GUTEN. ACHGUT.COM - Die Achse des Guten

Die diesjährigen Bayreuther Festspiele stießen größtenteils weder beim Publikum noch der Kritik auf Gegenliebe. Seit Jahren ist das Interesse an Tickets rückläufig. Dies liegt wohl auch an der Leitung durch Katharina Wagner.

An diesem Donnerstag gehen die Bayreuther Festspiele 2022 zu Ende. Die Bilanz war, gelinde gesagt, durchwachsen, manche sagen: verheerend. Die Neuinszenierung von Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ fiel bei großen Teilen des Publikums und der Mehrzahl professioneller Kritiker durch, wobei es freilich auch lobende Einschätzungen gab, nicht zuletzt auf der Achse des Guten. Die überwiegend negative Kritik (beispielsweise auch durch mich) betraf nicht nur die interpretatorisch-handwerkliche Seite der Aufführungen, sondern auch die musikalische.

Ob es sich bei der Inszenierung des jungen Österreichers Valentin Schwarz um eine irreparable Katastrophe handelt oder ob in der „Werkstatt Bayreuth“, in der jede Neuproduktion als „work in progress“ gilt, die gröbsten Schnitzer ausgebügelt werden können, bleibt abzuwarten. Auch Patrice Chereaus „Jahrhundertring“ aus dem Jahre 1976, dirigiert von Pierre Boulez, war zunächst umstritten, bis er als Meisterwerk der Regiekunst in die Festspiel-Annalen einging, wobei Chereau im Gegensatz zum Radikal-Banalisierer Schwarz die Stücke als Menschheits- und Götterdrama noch ernst und Wagner beim Wort genommen hatte.

Auch in puncto Publikumszuspruch waren die diesjährigen Festspiele kein Erfolg, zumindest gemessen an einstigen Höhenflügen. Nach Insiderangaben waren an der Abendkasse für alle Vorstellungen, selbst die Premiere von „Tristan und Isolde“, noch Tickets verfügbar, vornehmlich in höheren Preiskategorien – früher undenkbar. 1991 beispielsweise waren laut damaliger Festspielleitung für rund 57.500 Plätze in 30 Aufführungen 357.513 Bestellungen im Kartenbüro eingegangen, das Kontingent fast sechsmal überbucht.

Beträchtlichen Teil ihres einstigen Stammpublikums verloren

Doch seit die waghalsigen Bühnenexperimente zunehmen – erinnert sei etwa an Christoph Schlingensiefs von Traditions-Wagnerianern als skandalös empfundenen „Müllberg“-„Parsifal“ (2004) oder Sebastian Baumgartens „Biogasanlagen“-Tannhäuser (2011) – gehen die Buchungszahlen stetig nach unten. Die Besucher stimmen offenbar mit den Füßen ab. Und das Ergebnis dieser Abstimmung kann nur als Misstrauensvotum für die Festspiele seit dem Tod Wolfgang Wagners gewertet werden.

Lange Wartelisten wie einst sind passé, obwohl auf der Website der Festspiele folgende Mitteilung zu lesen ist: „Die ca. 30 Veranstaltungen der international bedeutenden Festspiele sind mehrfach überbucht und Interessenten müssen mehrere Jahre auf die Zuteilung von Karten warten.“ Ein kundiges Mitglied des Richard-Wagner-Verbandes berichtet hingegen, dass regelmäßig Karten im Netzwerk der Organisation angeboten würden wie „sauer Bier“. Auf die Frage kurzfristig verfügbarer Karten angesprochen, spricht das Pressebüro der Festspiele von „Rückläufern“, die gleich wieder über den Online-Sofortverkauf angeboten und auch nachgefragt würden. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als Bayreuth-Tickets schon mal zu astronomischen Preisen am Schwarzmarkt gehandelt wurden, kommt man umstandslos an Karten, soviel ist sicher.

Man mag einwenden, dass sich im Vergleich zu glorreichen Tagen von einst das Kulturangebot verbreitert hat, dass die Bayreuther Kartenpreise stark angehoben wurden und in den höchsten Kategorien in etwa das Niveau der Osterfestspiele Salzburg erreicht haben, dass viele alte Wagnerianer gestorben sind oder zu betagt, um noch nach Bayreuth zu pilgern, dass die Corona-Pandemie und die bestehende Angst vor Ansteckung mit was auch immer möglicherweise auf Dauer das Publikumsinteresse an Kulturveranstaltungen gemindert hat. Trotzdem dürfte als sicher gelten, dass die Bayreuther Festspiele einen beträchtlichen Teil ihres einstigen Stammpublikums verloren haben.

Im Ganzen gelungene Synthese von Tradition und Erneuerung

Innerhalb der Wagner-Verbände und in der Medienöffentlichkeit zirkuliert derzeit ein umfangreiches Dossier über den Niedergang der Bayreuther Festspiele, geschrieben von einem einstigen Mitarbeiter des Festivals. Es mag sein, dass der Autor nicht in die allerletzten Verästelungen des Bayreuther Kapillarsystems vorgedrungen ist und man mag nicht alle seine Geschmacksurteile bezüglich vergangener Festspiel-Inszenierungen teilen. Doch die Fakten, die der Autor in seiner Denkschrift zusammenträgt, sind beeindruckend und werfen kein gutes Licht auf die aktuelle Festspielchefin Katharina Wagner, Urenkelin des Komponisten, auf die für die Festspiele und die Pflege des Wagnerschen Erbes verantwortlichen Institutionen sowie auf die beteiligten Politiker.

Für den Autor der Denkschrift begann die Misere auf dem Grünen Hügel mit dem mehrjährigen Siechtum und dem Rückzug Wolfgang Wagners von seinem auf Lebenszeit befristeten Amt als alleiniger Festspielleiter im Jahre 2008. Der zweite Sohn von Richard Wagners einzigem Sprössling Siegfried hatte das Zepter aus der Hand seines 1966 verstorbenen Bruders Wieland übernommen, der die Festspiele nach dem Desaster des Naziregimes und den diesbezüglichen Verstrickungen des Wagner-Clans als „Neu-Bayreuth“ wiederbegründete und ihnen mit seinen symbolisch aufgeladenen, minimalistischen Inszenierungen und hochkarätigen Künstlern zu weltweitem Ruhm verhalf.

Auch Wolfgang galt als handwerklich solider, zuweilen bemerkenswerter Regisseur und guter Organisator, dem es gelang, den Hügel musikalisch wie bezüglich der Auswahl geeigneter Regisseure, Dirigenten und Sänger auf der Höhe der Zeit zu halten, ohne das Erbe seines Großvaters im Kern anzutasten oder gar zu verraten. Getragen wurde Bayreuth unter Wieland und Wolfgang nicht zuletzt von einer Riege hochkompetenter und motivierter Mitarbeiter hinter den Kulissen, die dem Festival oft viele Jahre die Treue hielten, sowie den weltumspannenden Aktivitäten des Fördervereins Gesellschaft der Freunde von Bayreuth und der Richard-Wagner-Verbände.

Es waren aus heutiger Sicht glückliche Jahre einer im Ganzen gelungen Synthese von Tradition und Erneuerung, gelegentliche Provokationen nicht ausgeschlossen. Das alles eingebettet in eine familiäre Atmosphäre, in der die Nachfahren des großen Komponisten und Textdichters nach Art klassischer Impresarios schalten und walten konnten. Im Grunde genommen handelte es sich beim Bayreuther Festspielhaus seinerzeit um ein Privattheater, in das man, wenn man Glück oder Beziehungen hatte, zu (noch) moderaten Preisen eingelassen wurde – der Festspielgründer selbst legte Wert darauf, dass im Prinzip alle Schichten des Volkes seiner Werke teilhaftig werden konnten. „Ein bisschen wie die Augsburger Puppenkiste“, sagt ein intimer Kenner und Verehrer dieser Tradition mit freundlichem Spott. Seit 1973 liegt das Schicksal der Festspiele und des Festspielhauses in der Verantwortung der von den verschiedenen Familienzweigen gegründeten Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, zu der sich 1985 noch die Bayreuther Festspiele GmbH sowie später eine mediale Vermarktungsgesellschaft gesellte.  

Gnadenlose Abrechnung mit ihrem Urgroßvater

Das Übel nahm seinen Lauf, als die Politik begann, Bayreuth als Mittel kulturpolitischer Profilierung und Repräsentation (wieder) zu entdecken. Lange Zeit galt der Hügel als kontaminiert von Adolf Hitlers Festspielbesuchen und der engen Beziehung des Diktators zu Siegfried Wagners umtriebiger Gattin Winifred. Doch seit sich vor allem unter der Ägide von Katharina Wagner, Wolfgangs Tochter aus zweiter Ehe mit seiner einstigen Sekretärin Gudrun Mack, die Festspiele in den Augen der Politik und der Medienöffentlichkeit glaubhaft von einstigen braunen Umtrieben distanziert haben, meint man offenbar, mit einem Bekenntnis zu diesem weltweit ausstrahlenden „kulturellen Leuchtturm“ wieder punkten zu können. Nach Dauergast Angela Merkel schmeißen sich längst auch grüne Politiker in Schale, um beim alljährlichen Prominentenauftrieb vor dem Festspielhaus bella figura zu machen. Unterdessen ist mit der abgebrochenen Theaterwissenschaftlerin und früheren Managerin einer Rockband, Claudia Roth, sogar eine Grüne mitverantwortlich für die (finanziellen und rechtlichen) Geschicke der Festspiele.

Spätestens seit der von vielen Kritikern als gnadenlose Abrechnung mit ihrem Urgroßvater interpretierten „Meistersinger“-Inszenierung in Bayreuth durch Katharina Wagner im Sommer des Jahres 2007, dem plötzlichen Tod ihrer einflussreichen Mutter Gudrun im November desselben Jahres, sowie dem sich schnell verschlechternden Gesundheitszustand Wolfgang Wagners sei „das ganze bisher so geordnete Unternehmen Festspiele arg ins Wanken geraten“, schreibt der Autor der Denkschrift. Als eigentlichen schwarzen Tag in der Geschichte der Nachkriegs-Festspiele wertet er den 31. August des Jahres 2008. Damals wurde Katharina Wagner vom Stiftungsrat in einer Hauruckaktion zur neuen Chefin auf dem Grünen Hügel bestellt, zunächst an der Seite ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, die wiederum 2015 die Segel strich.

Nicht zum Zug kam an diesem denkwürdigen Tag die im Gegensatz zu Katharina ungleich theatererfahrenere und visionär denkende Nike Wagner, Tochter Wieland Wagners, die zusammen mit dem allseits ob seiner allumfassenden Kompetenz gepriesenen Kulturmanager Gerard Mortier angetreten war. Nach Meinung des Autors wurde das „Dreamteam“ Nike Wagner/Mortier zugunsten einer, wenn überhaupt, nur dynastisch begründeten Notlösung Katharina Wagner/Eva Wagner-Pasquier von der Politik in machiavellistischer Weise geopfert.

Wer zahlt, schafft an!

Dabei mag der damalige Stiftungsratsvorsitzende, der bayerische Kultur-Oberministeriale Toni Schmid, eine Schlüsselrolle als Erfüllungsgehilfe der Wünsche des siechen Patriarchen Wolfgang Wagner sowie als Sachwalter eigener Machtambitionen gespielt haben. Schon seit Gründung der Bayreuther Festspiele GmbH, mit der Wolfgang Wagner seine Machtansprüche gegenüber der Stiftung und konkurrierenden oder gar verfeindeten Familienzweigen zementieren wollte, hatte die Stiftung einen stetigen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen, vor allem, was ihre beiden wichtigsten Befugnisse anbelangt: die Bestellung eines „Festspielunternehmers“ inklusive der Vermietung des Festspielhauses an den jeweils auserwählten Chef.

De facto liegt jedoch schon heute das Recht, über die Chefposition zu bestimmen, bei der Festspiele GmbH, in deren Verwaltungsrat Bund und Freistaat Bayern das Sagen haben. Sollten zudem Pläne Realität werden, dass das Festspielhaus künftig im Rahmen eines 99-jährigen Erbpachtvertrages an die öffentliche Hand fiele, wäre die Stiftung, frei nach Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, nur noch auf „Gedöns“ beschränkt, das (wenngleich hoch bedeutende) Wagner-Archiv sowie das Museum in der Villa Wahnfried. Hebel für den Erbpacht-Plan sind die Mittel für die laufende Sanierung des Festspielhauses, die von der Politik bereitgestellt werden sollen: Wer zahlt, schafft an!

Der Autor des Dossiers hält Katharina Wagner für intellektuell wie charakterlich ungeeignet, die Festspiele in eine gedeihliche Zukunft führen zu können. Sie versage nicht nur auf organisatorischem wie künstlerischem Gebiet, sondern vergraule reihenweise kompetente Mitarbeiter, inklusive des 2020 geschassten Bayreuther Musikdirektors Christian Thielemann, eines der bedeutendsten Wagner-Dirigenten der Gegenwart. Laut „ZEIT“ waren im Frühjahr bei den Festspielen gut zwei Dutzend Stellen vakant. Die größte Fluktuation gebe es bei den wichtigen Technischen Direktoren. Mit Fachkräftemangel und Corona allein sei dies nicht zu erklären, schreibt das Blatt. 

Die Chance für einen Neuanfang

Eine grundlegende Reform und Wiederbelebung des Stiftungsrates und eine Neubesetzung der Festspielleitung nach Auslaufen des Vertrages mit Katharina Wagner im Jahre 2025 sei unumgänglich, fordert der Autor der Denkschrift. Das wäre dann allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ende der Dynastie an der Spitze der Festspiele, weil neben der Amtsinhaberin weit und breit kein Mitglied der Familie in Sicht ist, das willens oder in der Lage wäre, sich in Bayreuth verantwortlich zu engagieren. Dann würde erstmals ein externer Kulturmanager das Sagen haben. Eine sorgfältige Auswahl geeigneter Bewerber vorausgesetzt, könnte dies für die Festspiele die Chance für einen Neuanfang bedeuten.

Doch es wird wohl anders kommen, denn kaum jemand hält es für möglich, dass die verantwortlichen Politiker „Katharina, der Letzten“ den Stuhl vor die Tür stellen werden. Zumindest in der Außenwahrnehmung erscheint sie alternativlos, weil die aktive Mitwirkung der Familie des Gründers – neben der singulären Architektur des Festspielhauses und dem exklusiven Werkkanon – ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Festspiele darstellt. Bei Lichte betrachtet, eine ausnehmend sympathische Angelegenheit, wenn denn das geeignete Personal zur Verfügung stünde.

Katharina Wagner wird also weiter auf dem Grünen Hügel amtieren. Und sie wird vor allem das machen, was Politik und Medien von ihr erwarten: Sie wird unverdrossen dem Zeitgeist huldigen, auf Genderismus und Diversität setzen, das eine oder andere öffentlichkeitswirksame Skandälchen produzieren, in der „Aufarbeitung“ der Vergangenheit nicht nachlassen, für internationale Vermarktung sorgen (Leuchtturm!) und den Politikern ein Aufmarschfeld für ihre Eitelkeiten bieten. Dass ihr dabei auch das eine oder andere glücken könnte, ist nicht ausgeschlossen. Doch der kühne Gedanke, Bayreuth als Kompetenzzentrum einigermaßen werkgetreuer Wagner-Inszenierungen wiederbeleben zu können, mit Respekt vor dem Genie eines der größten Opernkomponisten aller Zeiten – das bleibt wohl ein Traum alter, weißer Männer.

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